Wohnbaugenossenschaften im Kanton Zug

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Wie leisten Wohnbaugenossenschaften im Kanton Zug einen Beitrag zur Lösung der Wohnungsknappheit und welche Besonderheiten gibt es bei der Finanzierung von günstigerem Wohnraum? Esther Keiser, Geschäftsführerin der Zuger Wohnbaugenossenschaft GEWOBA, und Patrick Marti, Berater Immobilieninvestoren bei der ZugerKB, geben im folgenden Interview Einblick in ihre Tätigkeit.

Im Kanton Zug ist es auch für viele Mittelstandsfamilien schwierig, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Welche Auswirkungen hat die Wohnungsknappheit für GEWOBA?

Esther Keiser: Wir haben monatlich viele Anmeldungen für Mitgliedschaften, meist verbunden mit der dringenden Bitte um eine Wohnung, sei es wegen Familienzuwachs oder aufgrund der Arbeitsstelle. Und, nicht überraschend, immer mehr Babyboomer, die in Rente gehen und deren Einkünfte aus der Altersvorsorge nicht für die bisherige Miete reichen, suchen dringend eine bezahlbare Kleinwohnung.

Welchen Beitrag können Wohnbaugenossenschaften im Kanton Zug zur Lösung der Wohnungsknappheit leisten?

Esther Keiser: Genossenschaftswohnungen sind im Verhältnis zu Marktwohnungen rund 30 Prozent günstiger, jedoch auch eher kleinflächig. Damit wirken wir dem Landverbrauch entgegen. Denselben Effekt haben die Belegungsvorschriften, die dazu führen, dass keine grossen Wohnungen von (zu) wenigen Personen belegt werden. Durch die moderaten Mieten und die Anwendung der Kostenmiete ist es älteren Menschen möglich, innerhalb der Genossenschaftssiedlung in eine kleinere Wohnung zu ziehen, ohne dann plötzlich für weniger einen höheren Mietzins zahlen zu müssen.

Im Juni 2023 wurde in der Stadt Zug die Volksinitiative «2000 Wohnungen für den Zuger Mittelstand» knapp angenommen. Die Initiative verlangt den forcierten Bau preisgünstiger Wohnungen. Welche Auswirkungen hat dieser Volksentscheid für GEWOBA?

Esther Keiser: Wir gehen davon aus, dass die in der Initiative genannten städtischen Grundstücke rascher entwickelt werden. Bekanntlich strebt die Stadt Zug die enge Zusammenarbeit mit den Genossenschaften an. Auch die privaten Investoren, die in ihren Arealentwicklungen preisgünstige Wohnanteile realisieren müssen, werden von uns begrüsst, da wir das Know-how besitzen, um solche Wohnungen zu erstellen und zu vermieten. Zunächst müssen wir aber die effektiven Auswirkungen der Initiative abwarten.

 

«Wir bauen wertige und gut nutzbare Wohnungen, die über kluge Grundrisse verfügen und damit platzsparender sind.»

Esther Keiser, Geschäftsführerin Genossenschaft für gemeinnützigen Wohnungsbau GEWOBA

 

Was würde den Genossenschaften helfen, damit sie mehr preisgünstige Wohnungen erstellen können?

Esther Keiser: Was wir benötigen, ist Land zu erschwinglichen Preisen. Auch bestehende Mehrfamilienhäuser, die die aktuellen Eigentümer veräussern möchten, helfen, preisgünstigen Wohnraum zu erhalten. Mit dem Verkauf an eine gemeinnützige Wohnbaugenossenschaft ist sichergestellt, dass sowohl der Wohnraum wie auch der Boden der Spekulation entzogen bleiben.

In den Medien liest man immer wieder davon, dass in der Stadt Zürich sehr gut verdienende und teils prominente Personen in relativ günstigen Genossenschaftswohnungen residieren. Diese vermeintlichen «Enthüllungsgeschichten» sorgen jeweils für Empörung und Unverständnis. Wie ordnen Sie solche Fälle ein?

Esther Keiser: Solche Fälle sind ein gefundenes Fressen für die Medien. Es wäre interessant zu wissen, wie die Hintergründe aussehen. Sind diese Personen allenfalls Genossenschafter der ersten Stunde und wohnten schon in diesen Wohnungen, als sie noch nicht «sehr gut verdienend und/oder prominent» waren? Und ist es richtig, diese Personen und womöglich ihre Kinder aus der angestammten Umgebung, aus dem Quartier und den sozialen Beziehungen zu reissen? Wir massen uns hier kein Urteil an. Bei GEWOBA legen wir grossen Wert auf eine gute soziale Durchmischung in unseren Siedlungen. Bei der Vergabe einer Wohnung kommen verschiedene Kriterien zur Anwendung. GEWOBA verfügt über ein transparentes Vermietungsreglement und richtet sich entsprechend danach. Einkommen und Vermögen sind natürlich auch bei GEWOBA ein relevantes Vergabekriterium bei der Vermietung einer unserer begehrten Wohnungen. Es ist jedoch ein Fakt, dass Menschen mit hohen Einkommen selten in unseren teils kleinen und bescheidenen Wohnungen wohnen möchten. Sie gönnen sich, weil eben gut finanzierbar, eher etwas Grösseres und Exklusiveres.

Wohnbaugenossenschaften haftet ein etwas verstaubtes Image an. So denken viele bei Wohnbaugenossenschaften an alte, dunkle und zu kleine Wohnungen. Wie entkräften Sie diese Vorurteile?

Esther Keiser: GEWOBA pflegt und pusht via soziale Medien einen frischen, modernen und professionellen Auftritt. Es gibt aber, im Gegensatz zu uns, sicher Genossenschaften, die kein Wachstum anstreben und einfach den Bestand erhalten. Viele Genossenschaftssiedlungen stammen aus den Sechzigerjahren, und es gibt keinen Grund, diese nach wie vor gute Bausubstanz zu vernichten. Die Genossenschaften tragen Sorge zu ihren Liegenschaften. Neubauprojekte von Genossenschaften gab es in den letzten Jahren in Zug leider viel zu wenig. Von den Genossenschaften werden keine Luxuswohnungen erstellt, wie man sie von den Werbebildern der Immobilienhändler kennt. Wir bauen wertige und gut nutzbare Wohnungen, die über kluge Grundrisse verfügen und damit platzsparender sind. Leider hat sich in den Köpfen der Bevölkerung festgesetzt, dass Genossenschaften Sozialwohnungen erstellen und vermieten. Dem ist definitiv nicht so, und der Bewohnenden-Mix ist bei GEWOBA wie bereits erwähnt bunt durchmischt und ein Abbild der Gesellschaft.

 

Interview vor Gebäude

Seit wann arbeitet die Zuger Kantonalbank mit GEWOBA zusammen?

Patrick Marti: Die ZugerKB arbeitet seit vielen Jahren mit GEWOBA zusammen. Ich erlebe den Austausch mit Esther Keiser und ihrem Team als dynamisch und schätze die fachlich hochstehenden und vertrauensvollen Gespräche sehr.

Zu welchen Themen berätst du Esther Keiser und das Team von GEWOBA?

Patrick Marti: Ich habe das Privileg, mit verschiedenen regionalen Wohnbaugenossenschaften zusammenzuarbeiten, und bin auch mit der kantonalen Stelle für Wohnungswesen in regem Austausch. Wir sind die führende Bank im Kanton Zug für Wohnbaugenossenschaften. Innerhalb der Bank bin ich die Hauptansprechperson für deren Anliegen. Dadurch kenne ich die Herausforderungen bestens und kann diese Erfahrung in die Beratung einbringen. Klassische Finanzthemen wie die Ermittlung von Liegenschaftswerten, die gemeinsame Festlegung von Finanzierungsstrategien und das Besprechen der Baukosten sind natürlich zentral. Wir besprechen aber oft auch rechtliche Themen wie Baurechtsverträge und Kaufverträge.

Sind die Bedürfnisse von Wohnbaugenossenschaften bei Finanzierungen ähnlich wie bei rein kommerziellen Immobilieninvestoren oder gibt es Unterschiede?

Patrick Marti: Wohnbaugenossenschaften bieten preisgünstigen Wohnraum an und sind nicht gewinnorientiert. Die Beurteilung erfolgt ähnlich wie bei gewinnorientierten Immobilieninvestoren, es bestehen aber leichte Unterschiede, zum Beispiel bei den Kapitalisierungssätzen von Immobilienbewertungen. Auch kann die maximale Belehnung leicht höher sein als bei klassischen Renditeobjekten, oder die Wohnbaugenossenschaften verfügen über ergänzende Finanzierungsmöglichkeiten, zum Beispiel beim Bund.

Ist es für private Eigentürmer möglich, ihre Liegenschaft respektive ihr Land erfolgreich an eine gemeinnützige Wohnbaugenossenschaft zu verkaufen? Was ist dabei zu beachten?

Patrick Marti: Die Wohnbaugenossenschaften verfügen in der Regel über Auflagen zu Wohnungsgrösse und Mietzinsen, insbesondere wenn die Liegenschaften dem Wohnbauförderungsgesetz unterstellt werden. Um die Wohnungen preisgünstig anbieten zu können, muss auch das Land oder die Liegenschaft zu einem moderaten Preis erworben werden können. Dies stellt für die Wohnbaugenossenschaften in vielen Fällen eine Herausforderung dar.

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Jonas Reif

Jonas Reif

Jonas Reif, Leiter Kampagnen- und Brand Management, findet es auch nach Jahren in der Kommunikationsbranche faszinierend, wie die richtige Botschaft in der passenden Tonalität die Reputation einer Organisation stärken kann. Wenn er nicht gerade am Schmieden einer Kommunikationskampagne für die ZugerKB ist, geniesst er die Zentralschweizer Landschaft rund um den Vierwaldstättersee, als Stand-Up-Paddler oder geruhsam meditierend am Ufer.


Kategorien: Geld

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