Freiwilligenarbeit für ein besseres Miteinander
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Die Vereinigung insieme Cerebral Zug wahrt, fördert und vertritt seit 1967 die Interessen und Rechte von Menschen mit geistiger, cerebraler und mehrfacher Behinderung. Die Vereinigung ist zewo-zertifiziert sowie politisch und konfessionell neutral. Vereinspräsidentin Marlies Sager stellt im Interview den Verein vor, und wir erfahren, was Vorsorge für sie bedeutet.
Warum engagieren Sie sich für die Vereinigung, Frau Sager?
Als Mutter einer geistig behinderten erwachsenen Tochter ist es mir ein grosses Anliegen, dass Menschen mit einer Beeinträchtigung ihren Weg – soweit es geht – selbstbestimmt gehen können. Dazu braucht es unter anderem Organisationen wie insieme Cerebral, die Bildungs-, Freizeit- und Ferienangebote bereitstellen. Meine Arbeit ist bereichernd, eine richtige Herzensangelegenheit. Wichtig scheint mir auch, dass Betroffene, Eltern und weitere Angehörige sich bei Fragen rund um eine Behinderung an unsere Vereinigung wenden können. Wir sind da, um zu helfen. Barbara Camenzind, die Geschäftsstellenleiterin, und Silvia Weise, ihre Assistentin, sind die beiden Ansprechpersonen bei uns. Sie leiten das operative Geschäft hervorragend. Nach meiner frühzeitigen Pensionierung vor sieben Jahren bin ich nun im Vorstand von insieme Cerebral und seit vier Jahren als Präsidentin tätig. Meine Vorstandskolleginnen und -kollegen sind betroffene Eltern bzw. Angehörige, aber auch Personen, die sich ehrenamtlich engagieren. Wir sind ein tolles Team.
Mit welchen Vorbehalten haben Menschen mit einer Beeinträchtigung nach wie vor zu kämpfen?
Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung möchten gerne selbstbestimmter leben. Viele wollen auch abstimmen, wählen und sich für ihre Anliegen einsetzen können. Aber die Hürden sind hoch: Neben der politischen Bildung fehlen zugängliche Informationen. Menschen, die unter einer umfassenden Beistandschaft stehen, haben zudem keine politischen Rechte. Inklusion bedingt eine Veränderung der gesellschaftlichen Strukturen.
Wie können wir alle helfen, das Miteinander zu verbessern?
Inklusion beginnt zwar im Kopf, aber personelle und finanzielle Rahmenbedingungen sind ein Muss für eine entsprechende Umsetzung. Wenn wir uns alle miteinander auseinandersetzen, können wir gemeinsam neue Strukturen schaffen und Angebote für Meschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung vorantreiben. Die Haltung jedes Einzelnen ist wichtig. Wir müssen die Gemeinschaft wertschätzen und offen gegenüber anderen Menschen sein. Menschen mit einer Beeinträchtigung sind direkt gefragt: Wie und wo will ich leben? Was bedeutet Lebensqualität für mich? Diese Fragen sollen nicht andere für sie beantworten. Wenn wir einen gemeinsamen Prozess zum Miteinander ernst nehmen, gehören Menschen mit einer Beeinträchtigung in allen Diskussionen und bei der Gestaltung ihres Lebens mit dazu.
Wie können Unternehmen oder Privatpersonen die Vereinigung unterstützen?
Dank Spendengeldern und der vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer können wir so viele Angebote realisieren.
Was sind die Angebote der Vereinigung?
Wir bieten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sieben verschiedene Ferienprogramme im Jahr an. Für Erwachsene im Frühjahr und Herbst auch ein Wochenende. Mehrmals pro Monat finden Freizeitaktivitäten statt, meistens an Samstagnachmittagen. Die Auswahl an Aktivitäten ist gross: Minigolf, Kegeln, Ausflüge, Karaoke, Guezlen … Erwachsenen steht ein grosses Bildungsklub-Angebot offen. Es ist uns wichtig, dass auch Menschen mit einer Beeinträchtigung aus einer grossen Vielfalt von Kursen auswählen können. Eine lebenslange Weiterbildung ist auch für sie wichtig.
Welche Kinderangebote kommen besonders gut an?
Alle unsere Kinderangebote kommen gut an. Wir bieten zum Beispiel folgende an: Entlastungstage, FerienPlus, Kinderferien und eine 1-zu-1-Begleitung beim Ferienpass der GGZ. Unsere Angebote entlasten Familien und geben den Eltern die nötige Zeit für ihren Beruf oder auch für Geschwisterkinder. Besonders die Tagesangebote im Sommer während der Ferienzeit ermöglichen Eltern etwas Freiraum.
Was muss man sich unter den «Entlastungstagen» vorstellen?
Acht bis zwölf Kinder im schulpflichtigen Alter geniessen gemeinsam einen Tag pro Monat. Die Kinder werden eins zu eins betreut. Gemeinsam erleben wir tolle Ausflüge wie zum Beispiel einen Besuch im Tierpark Goldau, bräteln auf dem Zugerberg, Ponyreiten und vieles mehr.
Mit welchen Hürden haben Eltern oder Angehörige zu kämpfen?
Wenn es um die Einschulung geht, ist es nicht selbstverständlich, dass Kinder mit einer Beeinträchtigung in die Regelschule integriert werden – sofern man das als Eltern möchte. Ein anderer Aspekt sind auch die Versicherungsfragen: Welche Unterstützung können Eltern überhaupt anfordern?
Welche Weiterbildungskurse bieten Sie in der Erwachsenenbildung an?
Der Bildungsklub Zug bietet seit 1988 Weiterbildungskurse für Erwachsene mit einer leichten bis schweren geistigen Beeinträchtigung (ab 16 Jahren) an. Bereits erworbene Fähigkeiten sollen erhalten und ergänzt werden. Das Bildungsangebot bietet die Möglichkeit, den Aufbau der Selbstständigkeit zu unterstützen und sich in der persönlichen Entwicklung zu entfalten. Neben Sprachkursen sind auch Kurse im praktischen Bereich sehr wichtig: Kochen, Backen, digitale Welt. Seit 2021 probt eine Theatergruppe unter fachkundiger Leitung einmal pro Woche in der Gewürzmühle. Aber auch Kurse, die die Beweglichkeit der Kursgäste fördern, fehlen nicht im Angebot: Line Dance, Tanzen, Reiten … Wichtig sind uns auch Kurse für Menschen mit einer schweren Behinderung.
Unterstützen Sie Angehörige und Betroffene auch in rechtlichen und finanziellen Angelegenheiten?
Die Vereinigung insieme Cerebral Zug bietet keine direkte finanzielle Unterstützung für Angehörige und Betroffene. Keines unserer Angebote ist aber kostendeckend. Bei rechtlichen Angelegenheiten werden wir durch unseren Dachverband insieme Schweiz unterstützt. Wir haben in Zug weder im Vorstand noch auf der Geschäftsstelle eine juristische Fachperson, was jedoch sehr wünschenswert wäre.
Was bedeutet für Sie Vorsorge?
Spontan kommt mir folgender Spruch in den Sinn: «Spare in der Zeit, so hast du in der Not!» So bin ich erzogen worden. Vorsorge bedeutet für mich nicht nur die materielle Seite, Vorsorge heisst für mich auch in Freundschaften «investieren». Ein sehr wichtiger Aspekt ist für mich auch die gesundheitliche und die geistige Vorsorge.
Wie unterstützt die ZugerKB die Vereinigung?
Wir bekommen jedes Jahr einen finanziellen Zustupf und tolle, begehrte Sponsoringartikel für unsere Lottospiele in den Ferien. Wie hoch ist der Arbeitsaufwand für die Mitarbeitenden und die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer? 2020 wurden total 1’424 ehrenamtliche Stunden geleistet, davon 466 von den Vorstandsmitgliedern. Die Benevol-Einsätze variieren. Man kann sich melden für eine Begleitung an einem oder mehreren Freizeitanlässen, je nach Zeitaufwand der Helfenden.
Vielen Dank für das Interview, Frau Sager.