Alterslose Gesellschaft – wie alt fühlen Sie sich?

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Wurden Sie auch schon mal gefragt, «ob Sie nicht zu alt dafür seien»? Vielleicht waren Sie in dem Moment auf dem Skateboard unterwegs oder hatten eine pinke Bluse an. Das Altwerden hat sich in unserer Gesellschaft bereits verändert – und wird sich weiterhin verändern. Wie gehen wir mit einer «alterslosen» Gesellschaft um? Und wie verändert sich dadurch unsere Einstellung zur Arbeit und zu unserer Vorsorge?

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Ein Blick nach Japan

Japan, das Land der aufgehenden Sonne – aber auch der Roboter –, ist in vielen Dingen Vorreiter. Schon seit vielen Jahren steuert die Inselnation im Pazifik auf die alterslose Gesellschaft zu und stellt die Weichen für ein funktionierendes Vorsorge- und Gesundheitssystem. Statistiken belegen, dass 2050 mehr als ein Viertel der Bevölkerung über 75 Jahre alt sein wird. Zeitgleich sinkt aber die Geburtenrate. Im Jahr 2021 kamen nur noch 811’604 Babys zur Welt. Damit wird das System der sozialen Sicherung automatisch vor ein grosses Problem gestellt.

Doch Japan wappnet sich – noch bevor andere Länder das Problem aktiv angehen. Das sollten sie aber, denn Prognosen sagen, dass 2050 insgesamt 32 Länder sogar einen noch grösseren Anteil an alten Menschen in der Gesamtbevölkerung haben werden als Japan. Damit wird die Weltbevölkerung immer älter, und der demografische Wandel hält Einzug. Was passiert, wenn die Menschen immer älter werden? Das Gesundheitssystem bricht zusammen. Gemäss Angaben des Gesundheitsministeriums in Tokio sind die Kosten für die Alten fünfmal höher als für jüngere Mitbürger. Eine vor rund zwölf Jahren eingeführte Pflegeversicherung (angelehnt ans deutsche System) soll Abhilfe schaffen. Diese wird zur Hälfte vom Staat finanziert, die andere Hälfte übernimmt der Versicherte. Doch viel stärker wird auf die Prävention Wert gelegt: Alte Menschen sollen sich fit halten, gesund ernähren und unabhängig leben können. Denn wer möglichst lange ohne Hilfe leben kann, der entlastet das System.

Routinechecks in Firmen, die das Gewicht und das Blut testen sowie Magenspiegelungen, sind jährlich Pflicht und werden gratis durchgeführt. Stellt der Arzt dann fest, dass man zu viel auf den Rippen hat, werden Abnehm-Seminare nahegelegt. Verschiedene Versicherungen ermuntern die Versicherten mit finanziellen Anreizen, sich fit zu halten. Wer mehr als 8000 Schritte pro Tag geht, darf an Verlosungen teilnehmen oder muss weniger Versicherungssumme bezahlen. Solche Anreize gibt es seit einer Weile auch in der Schweiz. Doch reicht das aus?

Pflegen, bis die Roboter kommen

Ein gutes Versicherungssystem aufzubauen und die Menschen fit zu halten, ist zwar gut und schön, aber es löst den Arbeitskräftemangel in der Pflege nicht. Japan kämpft mit ähnlichen Problemen wie wir in der Schweiz oder unser Nachbar Deutschland. Zu wenig Menschen arbeiten in der Pflege, zu wenig Menschen leisten Freiwilligenarbeit in sozialen Einrichtungen für Senioren. In Japan werden deswegen immer mehr Roboter eingesetzt. Sie helfen den Menschen zum Beispiel beim Gehen, ermutigen sie dazu, Gymnastik zu machen, reagieren sogar auf Streicheleinheiten – wie der Roboterhund Aibo, der in einem Altersheim in Tokio zum Einsatz kommt (und nun auch in den Haushalten beispielsweise als Aufpasser eingesetzt wird).

Alt ist nicht mehr alt

Heute fühlen sich auch jüngere Menschen deutlich jünger als vor ein paar Jahrzehnten. Studien belegen, dass sich unser Bild vom Altern verändert. Viele Menschen fühlen sich rund zehn Jahre jünger, als sie sind. Sie gehen Sportarten oder Hobbys nach, die wir von unseren Eltern und Grosseltern nicht kannten und uns auch nicht vorstellen konnten. Ich beispielsweise kann mir meine Oma nicht auf Inlineskates vorstellen. Frauen bekommen später Kinder, das Leben verschiebt sich ein Stück nach hinten. In Japan heisst das auch, dass die Menschen oft bis ins hohe Alter arbeiten. Es würde sie fit halten. Es würde sie in der Gesellschaft einen festen Platz einnehmen lassen. Es gibt in Japan sogar Firmen, die nur Menschen über 60 Jahre einstellen. Dank deren Flexibilität und deren Teilzeiteinsatz kann das Unternehmen rund um die Uhr produzieren. Doch die Japaner haben auch eine bestimmte Haltung zu ihrem Arbeitseifer. Für sie ist es normal, dass sie etwas zur Gesellschaft beitragen wollen, sie fühlen sich dadurch erfüllt.

Japan ist klar auf dem Weg zur alterslosen Gesellschaft. Einer Gesellschaft, in der es normal ist, dass Roboter die Pflege übernehmen und Menschen arbeiten, bis sie zum Teil hundert Jahre alt sind. Doch es gibt auch Risiken. Viele Taxifahrer in Japan sind beispielsweise weit über 70. Im dichten Verkehr muss blitzschnell reagiert werden; ein Problem, wenn die eigene Reaktionszeit zu langsam ist. Auch gibt es immer mehr Fälle von Altersarmut und Einsamkeit. Immer mehr Senioren begehen Diebstähle und nehmen eine Haftstrafe sogar gern in Kauf: Für Mahlzeiten ist dann gesorgt, und man ist nicht alleine.

Die Schweiz und das Alter

Laut Prognosen dürfte auch in der Schweiz die Überalterung zunehmen und 2035 rund ein Viertel der Bevölkerung ausmachen. Anders als Japan fürchten die westlichen Industrieländer aber das Alter. Japan sieht das gelassener, und durch die strikte Einwanderungspolitik aktivieren sie die Senioren, anstatt ausländische Arbeitskräfte ins Land zu holen und einwandern zu lassen. Wünschenswert wäre zum Beispiel, dass auch Schweizer Firmen ältere Menschen einstellen würden – und das nicht aus Mitleid, sondern wegen deren Potenzial. Zur Diskussion steht auch immer, ob es so viele Menschen braucht. Schliesslich käme es auch der Umwelt zugute, wenn es weniger Menschen gäbe. Auch sollte es ein Umdenken in der Gesundheitsbranche geben. Weiter geht es mit hindernisfreien Städten. Vorreiter sind hier – auch bezüglich des Umgangs mit gesellschaftlicher Alterung – die Niederlande und Skandinavien. Wie sieht es aus mit gesundheitsfördernder Prävention, lebenslangem Lernen und flexiblen Formen der Pensionierung? Die Liste ist nicht abschliessend, ebenso die oben gemachten Erläuterungen. Sie sollen aber einen Denkanstoss geben, dass wir alle etwas für unsere Vorsorge tun müssen – egal, wie alt wir uns fühlen. Packen wir es an!

 

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Ina Gammerdinger

Ina Gammerdinger

Ina Gammerdinger, Beraterin Kommunikation bei der Zuger Kantonalbank, sorgt dafür, dass wichtige Themen bekannter werden. Im Kampagnen- und Brandmanagement verantwortet sie unter anderem die Themenschwerpunkte «Anlegen» und «Vorsorge». Ihre Kampagnen sollen begeistern und einen Mehrwert für die Bevölkerung im Wirtschaftsraum Zug schaffen. Deswegen bereichert sie mit ihren Tipps regelmässig den #ZugerKBlog.


Kategorien: Zukunft