Neues Erbrecht – Was ändert sich für Paare?

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Seit dem 1. Januar 2023 gelten im Schweizer Erbrecht neue Bestimmungen. Diese finden Anwendung auf Todesfälle ab diesem Zeitpunkt, unabhängig vom Datum eines Testaments oder Erbvertrags. Welches sind die wichtigsten neuen Regelungen und was ist zu beachten?

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Pflichtteilsrecht

Aufgrund eines tragischen Todesfalls im Bekanntenkreis diskutieren die Ehegatten Theo und Martha mit dem befreundeten, nicht verheirateten und kinderlosen Paar Rolf und Rita die erbrechtlichen Folgen beim Ableben. Theo und Martha haben zwei Kinder, und somit würde Theo beim Vorversterben von Martha zusammen mit den beiden Kindern eine Erbengemeinschaft bilden. Martha hat ein Testament errichtet und letztwillig verfügt, dass die Kinder den Pflichtteil erhalten und ihr Ehemann Theo die restliche Hinterlassenschaft.

Mit dem neuen Erbrecht gilt für die Nachkommen ein Pflichtteil von ½ des gesetzlichen Anspruchs. Der gesetzliche Erbanteil beträgt für den Ehegatten ½ und für die Nachkommen zusammen ½. Damit hätten die Kinder einen Pflichtteil von ¼.

Bei Rolf und Rita sieht das etwas anders aus. Als Konkubinatspaar haben sie auch nach den neuen gesetzlichen Bestimmungen weiterhin kein gegenseitiges Erbrecht. Sollte einer von ihnen versterben, ohne eine letztwillige Verfügung zu hinterlassen, würde die Hinterlassenschaft des verstorbenen Partners an seine Eltern bzw. bei deren Vorversterben an die Geschwister und deren Nachkommen (Nichten, Neffen) gehen. Die Eltern haben neu keinen Pflichtteilsanspruch mehr. Das heisst, Rolf und Rita können nun über ihre gesamte Hinterlassenschaft frei verfügen. Sie könnten sich also gegenseitig ohne Einschränkung als Alleinerben einsetzen.
Theo fragt sich jedoch, ob das in jedem Fall sinnvoll sei, und nennt sogleich ein Beispiel: Falls Rolf und Rita einen Autounfall hätten, Rolf auf der Stelle und Rita fünf Tage später im Spital versterben würde, wäre die ganze Hinterlassenschaft von Rolf auf Rita übergegangen. Beim späteren Versterben von Rita ginge deren Nachlass ohne anderweitige Regelung, inklusive der Erbschaft von Rolf, auf ihre Eltern bzw. bei deren Vorversterben auf ihre Geschwister über. Und das wäre wohl nicht im Sinne von Rolf.

Schenkungsverbot

Theo und Martha erzählen Rolf und Rita, dass sie mit ihren Kindern einen Erbvertrag mit Erbverzicht abschliessen möchten, um sich im Todesfall des ersten Ehegatten gegenseitig abzusichern.
Zu beachten ist dabei, dass im neuen Erbrecht ein Schenkungsverbot verankert ist. Wenn Theo und Martha einen Erbvertrag mit ihren Kindern abschliessen, dürften Theo und Martha nach Abschluss des Erbvertrags keine Schenkungen zugunsten Dritter mehr ausrichten, weil diese den Erbanspruch der Kinder schmälern würden. Schenkungen sind weiterhin erlaubt, wenn es Gelegenheitsgeschenke sind oder wenn sich die Ehegatten im Erbvertrag vorbehalten haben, dass sie auch nach Abschluss des Erbvertrags noch Schenkungen ausrichten dürfen. Eine Schenkung, die das Schenkungsverbot verletzt, kann von den Erben beim Tod des Erblassers angefochten werden.

Bestehende Regelungen überprüfen

Bestehende Testamente und Erbverträge sollten insbesondere hinsichtlich der Anpassung der Pflichtteile und der damit einhergehenden grösseren verfügbaren Quote und dem Schenkungsverbot überprüft werden. Mit der Anpassung bestehender bzw. der Errichtung neuer Testamente und Erbverträge können diese Rechtsänderung und der sich dadurch ergebende Freiraum bei den Begünstigungen so ausgestaltet werden, dass für jeden Einzelnen und seine konkrete Lebens- und Vermögenssituation eine optimale (Meist-)Begünstigung der Überlebenden erreicht werden kann. Das gilt insbesondere auch für Konkubinatspaare, da durch den Wegfall des Pflichtteils für Eltern keine aufwendigen Erbverzichtsverträge mit Letzteren mehr abgeschlossen werden müssen.

 

«Eine Beratung in ehe- und erbrechtlicher Hinsicht lohnt sich immer, besonders, wenn aktuelle gesetzliche Änderungen zu beachten sind.»

Adrian Burch, Berater Güter- und Erbrecht bei der Zuger Kantonalbank

 

 

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Adrian Burch

Adrian Burch

Adrian Burch ist seit April 2022 bei der Zuger Kantonalbank tätig und Leiter des Bereichs Güter- und Erbrecht. Als Rechtsanwalt bespricht er mit Kundinnen und Kunden deren individuelle Nachlassplanung, um so massgeschneiderte Lösungen für ihre aktuelle persönliche und finanzielle Situation zu erarbeiten. Die Freizeit verbringt er zusammen mit seiner Familie meistens in der wunderschönen Natur des Kantons Obwalden.


Kategorien: Zukunft

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